Liebe Leser*innen,
angesichts multipler Krisen optimistisch zu bleiben, an die eigenen Handlungsmöglichkeiten zu glauben und Allianzen zu bilden – das ist der Kern einer wehrhaften, demokratischen Gesellschaft. Für sie stehen auch wir als Stiftung Mercator mit unserer Arbeit ein. Daher haben wir uns 2023 ein neues Motto gegeben, das uns begleitet und leitet: #WirstärkenDemokratie.
Die Angriffe auf unsere freiheitliche Grundordnung, so hat das vergangene Jahr gezeigt, kommen aus den unterschiedlichsten Richtungen und gefährden die Basis unseres Zusammenlebens: Russlands Ausweitung des Krieges auf die gesamte Ukraine bedroht die Freiheit in ganz Europa, gezielte Desinformation begünstigen eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft.
Zuversicht mag in derart angespannten Zeiten schwerfallen. Zumal 2023 weitere Krisenherde für erschütternde Nachrichten sorgten — allen voran der Nahostkonflikt, den der Hamas-Überfall auf Israel neu entfachte. Diese unsichere Weltlage schlägt sich auch hierzulande im Alltag nieder. Nach Ende der Coronapandemie treiben weiterhin existenzielle Zukunftssorgen viele Menschen um. Die Folge: Das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie und ihre Vertreter*innen schwindet, der Rechtspopulismus gewinnt an Zustimmung.
Umso entschlossener treten wir als europäische Stiftung für demokratische Werte in Deutschland und der Welt ein, fördern die Verständigung zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen und engagieren uns für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Mit unseren Mercator Talks zur Ukraine etwa haben wir 2023 ein Veranstaltungsformat geschaffen, um über die Folgen des Kriegs für das Land, Deutschland und Europa zu diskutieren – und dabei auch die Perspektiven von Geflüchteten einzubinden.
Seit unserer Gründung 1996 haben wir insgesamt 2052 Projekte (Stand Ende 2023) mit über 961 Millionen Euro gefördert, 79 neue Projekte mit rund 55 Millionen Euro (inklusive Nachbewilligungen) allein davon im vergangenen Jahr. So setzen wir uns beispielsweise bundesweit für Chancengleichheit ein und erleichtern mit dem Mentoringprogramm Diversify benachteiligten Gruppen den Zugang zur Politik. Das Projekt Demokratiestarke Polizei wiederum bildet Polizeibedienstete zu Demokratiepat*innen aus, die sich gegen extremistische und antidemokratische Tendenzen in den eigenen Reihen engagieren.
Die Ergebnisse von Wahlen werden immer stärker von den Debatten im Digitalen bestimmt. Daher untersucht unser Projektpartner im Vorhaben Digital Democracy wie etwa Social Media zur Meinungsbildung genutzt – und zur Beeinflussung missbraucht werden. An der Schnittstelle von Klimaschutz und Digitalisierung fördern wir die Bits&Bäume-Bewegung, damit sie sich noch erfolgreicher als bisher in die politische Willensbildung einbringen kann. Welche gesellschaftlichen Dynamiken dabei einem stärkeren Klimaschutz in Deutschland entgegenstehen, analysiert Stefan Cihan Aykut als neuer Mercator-Stiftungsprofessor an der Universität Hamburg. Und unser gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung erhobener, viel beachteter Sustainability Transformation Monitor lieferte 2023 erneut eine Bestandsaufnahme, wie stark bereits heute privates Kapital zum nachhaltigen Umbau der Wirtschaft beiträgt.
Angesichts der globalen Polykrisen hat sich unser Teilbereich Europa in der Welt neu aufgestellt, um dazu beizutragen, die internationale Neuordnung inklusiver zu gestalten und dafür die Länder des globalen Südens konsequenter in diese einzubinden. Weiter wichtiges Handlungsfeld bleibt die Auseinandersetzung mit der Türkei und mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt: China. Eine Schlüsselrolle übernimmt dabei das Mercator Institute for China Studies (MERICS). Es konnte 2023 sein zehnjähriges Bestehen feiern. In geopolitischen Umbruchzeiten will das Institut weiterhin eine analytische Basis für kluge politische und unternehmerische Entscheidungen bieten.
Seit vergangenem Jahr unterstützt uns zudem Professorin Dr. Nicole Deitelhoff mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung als neues Mitglied in unserem Beirat. Sie leitet das PRIF – Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt und ist Mitherausgeberin des jährlichen Friedensgutachtens der deutschen Friedensforschungsinstitute.
Diese und die vielen weiteren von uns geförderten Projekte zeigen: Eine am Gemeinwohl orientierte Gestaltung unserer Gesellschaft bleibt trotz großer Umbrüche möglich. Das haben auch in den vergangenen Monaten hunderttausende Menschen in ganz Deutschland eindrucksvoll belegt, als sie gegen Hass und Hetze auf die Straße gingen. Anlass waren die Recherchen unseres Projektpartners CORRECTIV zu Vertreibungsplänen rechtsextremer Politikreise. Es stimmt optimistisch, wenn so viele Bürger*innen Gesicht für eine tolerante und diverse Gesellschaft zeigen – und ist eine Ermunterung, weiter für demokratische Werte einzutreten.